Nah am Wasser gebaut und doch immer Sehnsucht nach dem Meer.

Meine Kunstlehrerin stöckelt mit der mit Kisten vollbepackten Klasse im Schlepptau aus dem Raum, lässt Jakob und mich kurzerhand zusammen mit unangenehmer Stille allein im Raum zurück. Ein paar Sekunden, die sich elend lang hinzuziehen scheinen, stehen wir uns unschlüssig gegenüber, mein Blick wandert nervös durch den Raum. Augenblicklich fangen meine Lippen an zu prickeln, als unsere Blicke sich kurz treffen, beschämt sehe ich mit rotem Kopf zu Boden. "Also dann", sage ich schließlich und greife mir den nächstgelegenen Pinsel, stapfe zielstrebig auf die Farbtöpfe zu. Ich höre, wie er sich hinter mir räuspert, ein kurzes Klacken erfolgt, und die buntbemalte Tür fällt schleichend ins Schloss. Stechende Stille folgt, mir kommt es vor, als würde uns der Rauch über unseren arbeitenden Köpfen, die Luft zum Atmen nehmen. Zwei Arme schlingen sich fest von hinten um meine Hüften und vor Schreck auf die abrupte Nähe, lasse ich den dicken Pinsel, den ich kurz zuvor noch in den Farbeimer getunkt habe, fallen, rote Farbe klatscht erbarmungslos auf meine neuen weißen Sneakers. "Melli." Wärme dringt mit den gehauchten Worten in mich ein und ein angenehmes Schaudern fährt durch meinen Körper, die dünnen Härchen in meinem Nacken stellen sich zu einer Gänsehaut auf. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, aber etwas, dass sich so gut anfühlt, kann auch unmöglich falsch sein. Also gehen wir den Zwischenweg. "Du fehlst mir", meint er leise und seine Worte klingen so ehrlich, dass ich gar nicht anders kann, als meine Arme um seinen Bauch zu schlingen und mich an ihn zu lehnen. Wenn ich geglaubt habe, dass ich es schaffen könnte, ihm aus dem Weg zu gehen, obwohl wir in einer Klasse sind und uns somit jeden Tag sehen, war ich wirklich naiv. Ich liebe es, mit meinen Problemen verstecken oder fangen zu spielen, liebe es, vor ihnen wegzulaufen, aber irgendwann geht mir die Puste aus und selbst das beste Versteck der Welt, wird mir dann nicht mehr viel nützen.