Schweigen nur, denn ich weiß nicht mehr, was Liebe ist.

Ausgelaugt lasse ich mich auf der knorrigen alten Holzbank zwischen Pauls Grundstück und dem Park fallen und schließe die Augen, um meine Gedanken zu sortieren. Wut und Enttäuschung schießen mir vom Kopf bis in die Zehen, finden ihren Weg wieder zurück und verursachen unangenehme Leere, als sie dann endlich verpuffen. Ein leichter Windstoß huscht durch meine Haarsträhnen und hinterlässt dünne Härchen, die sich augenblicklich zu einer Gänsehaut aufstellen, ein angenehmes Erschaudern bebt durch meinen Körper. Zwei Füße schieben sich mir ins Blickfeld, ohne aufzusehen weiß ich genau, wer der Träger ist. "Was willst du?", ich gebe mir keine Mühe, meine Laune zu verbergen. "Reden." "Ich aber nicht." Du setzt dich neben mich, "Nicht mein Problem." Ich schnaube auf, als sich unsere Arme leicht berühren. "Was gibt's denn so wichtiges?", sage ich in genau demselben Tonfall, indem du ein paar Minuten zuvor über mich gesprochen hast. "Dir aus dem Weg zu gehen war eine scheiß Idee, das klappt sowieso nicht", beginnst du. Ich murmele ein missmutiges, "Fällt dir ja früh auf", du überhörst es und fährst unbeirrt fort, "Deswegen wollte ich mit dir reden. Weil ignorieren kommt scheiße." "Wie sozial von dir." Du räusperst dich, "Wie soll es jetzt weitergehen? So tun, als wäre nie was gewesen, geht ja auch schlecht." Ich sehe dich das erste mal seit Tagen wirklich an, nehme deine Gesichtszüge wahr, die mir so verändert erscheinen, dass mein Blick einen Moment an ihnen kleben bleibt, "Man kann unsere gemeinsame Zeit nicht einfach wegwerfen wie Abfall, das geht nicht, Justin. Einfach unter den Tisch kehren, als wäre nichts gewesen, das willst du also?" Du erwiderst meinen Blick, "Ich will gar nichts." Mir scheint es, als würde irgendwo, ganz tief unten, ein Vorwurf mitschwingen und mir irgendwann direkt ins Gesicht klatschen. So als wäre ich allein daran schuld, dass es jetzt so ist. Eine Zeit lang sitzen wir nur nebeneinander, betrachten schweigend die Äste der Bäume, die vom Wind hin und her gestoßen werden. "Wie gesagt, wir können's ja mal mit Freundschaft versuchen", bringst du irgendwann hervor, aber du spielst nur eine Rolle, die ich noch nicht durchschaut habe. Wir wissen beide, wie das enden wird, und der Gedanke daran, lässt mich heftig zittern. Du stehst auf und hältst mir einladend deine Hand entgegen, ich ergreife sie zögernd und lasse mir von dir hochhelfen. Am liebsten würde ich sie nie wieder loslassen, doch eine Stimme in meinem Kopf erinnert mich daran, dass das Freunde ja nicht so machen. Bevor ich mich auch nur annähernd hätte darauf vorbereiten können, ziehst du mich in deine Arme und vergräbst deinen Kopf in meinen Haaren. Die Luft bleibt mir aus, ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, bleibe einfach nur starr stehen. Dein Mund ist nahe meinem Ohr, "Wir waren früher beste Freunde, also schaffen wir es jetzt auch, wieder befreundet zu sein." Ich nicke leicht, doch gleich, als sich meine Arme verzweifelt an dich klammern und ich deinen Geruch einziehe, wie ein ausgehungertes Tier, weiß ich, dass wir niemals nur Freunde sein können. Wir hätten das Ganze mit einem Handschlag besiegeln sollen. So machen das Freunde schließlich. Glaube ich.