Hastig friemle ich den in meiner Tasche postierten Haustürschlüssel von dir aus der hintersten Ecke heraus, drehe ihn mit zittrigen Händen im Schloss, während Lukas dir aus seinem Auto hilft. "Ich glaub er bricht gleich zusammen", murmelt er verärgert, schleift dich in dein Zimmer und knallt die Tür unachtsam hinter uns zu. "Sssscht, mach mal leiser! Willst du dass seine Eltern gleich hier auf der Matte stehen?! So dürfen sie ihn auf keinen Fall sehen!", fahre ich ihn an, dabei bedacht, dich nichts von alldem hören zu lassen, obwohl du wahrscheinlich eh nicht das geringste mehr mitbekommst. Lukas wirft dich auf dein Bett, brummt leise vor sich hin, seine angepisste Stimmung entgeht mir nicht. Ich sehe ihn scharf an, "Hey!" "Was?!" Als unsere Blicke sich begegnen, scheint er nur noch wütender zu werden. "Siehst du nicht, was hier abgeht, Mel? Er dreht vollkommen durch in letzter Zeit. Du willst mir doch nicht erzählen, dass dir das nicht aufgefallen ist?! Ich weiß nicht, was er sich da eingeschmissen hat, und ganz ehrlich? Ich wills auch nicht wissen. Aber das mach ich hier nicht mehr mit, so geht's nicht mehr weiter. Nicht mit mir." Für einen Moment starren wir uns nur an, keiner scheint zu wissen, wie er die entstandene Leere füllen soll. Ich weiß, dass er von mir erwartet, dass ich  jetzt etwas sage. Aber jedes Wort wäre jetzt überflüssig, mir fällt absolut nichts dazu ein, es ist alles gesagt. Ich sehe dich an, wie du da auf deinem Bett kauerst und die Wand anstarrst, du wirkst so verlassen, regelrecht verloren. Ich spüre, wie mein Herz entzwei gerissen wird. Mein Blick wandert zurück zu Lukas, "Geh jetzt, bitte." "Kommt ihr klar?", es bereitet mir sichtlich Unbehagen, wie er mich mit seinen Blicken durchbohrt, meiner Kehle entschlüpft nur ein trockenes "Sicher", dass er mit skeptischen Blicken entgegen nimmt. Ein schwaches Nicken seinerseits folgt, ich falle ihm ausgelaugt in die Arme, er drückt mich an sich und berührt kurz mit der Handfläche meinen Hinterkopf, bevor er den Raum verlässt und mit surrendem Motor verschwindet. Die plötzliche Stille im Raum missfällt mir noch mehr als die lauten Bässe von vorhin, jede Faser in mir beginnt unruhig zu werden. Zögernd lasse ich mich neben dich aufs Bett fallen, meine Fingerspitzen berühren sanft deinen Oberschenkel, "Alles okay?" Längeres Schweigen folgt, du zeigst keinerlei Reaktion. Ich bin kurz davor, die Hoffnung auf eine Antwort aufzugeben, als dein Blick völlig aufgelöst auf meinen trifft, kurz bevor du überstürzt in Tränen ausbrichst. Wie gelähmt sitze ich da, noch nie habe ich dich weinen sehen, mir muss das Entsetzen deutlich ins Gesicht geschrieben sein, denn du wendest den Blick ab. Vergeblich versuche ich, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, mir entweicht nur ein klägliches "Was hast du?", während ich mit der rechten Hand deine hitzige Wange berühre. Du lehnst dich mir entgegen, meine Arme schlingen sich um deinen Hals, beruhigende Worte kommen wie von selbst aus meinem Mund. "Alles wird gut", lüge ich uns beiden vor, wahrscheinlich gelten die Worte mehr mir, als dir. Du legst deinen Kopf auf meinen Schoß, ich streiche sanft ein paar Haarsträhnen beiseite, die dir auf der Stirn herumtanzen. Weiterhin murmelst du Dinge, von denen ich nur Bruchteile verstehe, die Tränen scheinen dir die Sicht zu rauben, denn du blinzelst mir entgegen. Eine Träne will sich von deiner Wange aus über meinen Arm stehlen, ich betrachte schweigend ihren Weg bis zu deiner Bettdecke, während ich dich weiter im Arm halte. Ich wünschte, ich könnte etwas sagen oder tun, um deine Tränen zu trocknen, doch ich bin mit der Situation mehr überfordert, als ich mir eingestehen möchte. Insgeheim schäme ich mich schrecklich für diesen Egoismus, schäme mich dafür, dass ich wieder nur an mich denke, wo es dir doch schlecht geht. "Tut mir so leid", ist das einzige was ich verstehe, deine Tränen scheinen immer mehr zu werden. Mit der Hand fahre ich über deine nasse Wange, streiche die Tränen so gut es geht beiseite, "Hey", ein Kuss landet auf deiner Stirn, "Ist doch okay. Für was entschuldigst du dich?" Du schüttelst nur schwach mit dem Kopf, hältst die Augen geschlossen, dein Atem wird endlich wieder regelmäßiger. "Wir schaffen das", flüstere ich, du nickst als Antwort, ein Kuss landet auf meinem Handrücken. Ich lasse mich nach hinten fallen, du legst dich neben mich, sodass wir auf gleicher Höhe liegen. Dein Gesicht ist mir zugewandt, doch deine Augen sind geschlossen. Meine Hand legt sich wieder an deine Wange, ich lasse dich keine Sekunde aus den Augen. Man könnte meinen, du seist eingeschlafen, doch ich weiß, dass du es nicht bist. "Ich liebe dich", platzt es aus mir heraus, bevor ich es überhaupt gedacht habe, das Lächeln, das daraufhin über deine Lippen huscht, ist mir jedoch Bestätigung genug. 

9 Kommentare:

chérie hat gesagt…

traurig und schön zugleich

Butterfly hat gesagt…

Schön.

Liz hat gesagt…

Danke, du bist so süß. ♥
Zu dem unteren Post: Hat er Cannabis oder LSD oder so genommen? Bei diesen Drogen weiten sich auch die Pupillen, wenn ich richtig liege. Hast du mit ihm schon darüber geredet? Ist, denke ich, notwendig. Nicht, dass er abhängig wird. :o
Ach und, der Text ist mal wieder atemberaubend verfasst worden!
ich liebe dich :-*

Jana hat gesagt…

Wunderschön geschrieben.

Anonym hat gesagt…

habt ihr denn nachdem noch einmal miteinander gesprochen?
weißt du, deswegen mag ich diese mädchen auch nicht. sie sind mir unsymphatisch, aus diesem grund. ich möchte auch eigentlich gar nicht zu ihnen gehören, geschweige denn so sein wie sie. denn ja, es ist unreif, ich weiß das selbst. aber es beschäftigt mich trotz allem. wenn ich nur wüsste, was anderen an mir nicht passt und weshalb. ich selbst sehe mich auch als individuum, bin kein stück wie jemand anderes. darauf bin ich auch stolz. aber dieser stolz wird täglich runtergeputzt.

und ich liebe deine texte! dein blog war der allererste, den ich verfolgt habe!

Marina hat gesagt…

heey :)
hast du lust auf eine gegenseitige blogvorstellung? wenn ja, melde dich per kommentar unter http://andweareyoung.blogspot.com/, danke schonmal :)

Marina hat gesagt…

Okay, schreib mir dann per Kommentar, wenn du ihn vorgestellt hast :-) Dann stell ich deinen auch vor ♥

lira mai hat gesagt…

ich kann mich nicht beklagen♥
habt ihr geredet?

4.37 Uhr und unsere schönsten Momente gehen mir durch den Kopf hat gesagt…

Schoener Text, tolles und starkes Mädchen, eins was ich sehr sehr doll vermisse ♥