ich lass dich im alten jahr

"Du bist hier", stellst du zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten fest und ich muss unweigerlich lächeln. "Ja", murmele ich, mein Gesicht in deinem Pulli vergraben. Du hast beide Arme um mich geschlungen, ich liege halb auf, halb neben dir, kann deinen Herzschlag deutlich hören. "Ich hab doch versprochen, dass ich komme." Nur das ich die einzige bin, die dieses Versprechen auch immer einhält, füge ich in Gedanken hinzu. Du streichelst mit deiner Hand durch meine Haare, durch deinen Atem, der auf meine Stirn trifft, fliegt eine einzelne Haarsträhne, die sich nicht mit Haarspray bändigen lies, mir immer wieder auf die Nasenspitze und wieder zurück. "Und kommst du Morgen wieder?", fragst du irgendwann. "Ich weiß nicht", wispere ich an deinen Hals, konzentriere mich vollkommen auf deine Finger, die meinen Nacken entlangstreichen. Du schweigst eine längere Zeit, deine Finger wandern immer weiter über meinen Rücken. "Mel, was ist das hier in letzter Zeit?" Ich schlucke und lege mich vollkommen auf dich, stütze mein Kinn auf deiner Brust ab und sehe dir in die Augen, "Sag du's mir." Du streichelst über meine Wange und meine Stirn, zurück zu meiner Nase und wieder zu meiner Wange, "Ich weiß es nicht." Mein Kopf ruht nun vollkommen auf deiner Brust und ich schließe die Augen, "Achso. Na dann." "Ja", ein kurzer Kuss landet auf meiner Stirn, ein Lächeln von dir folgt. Ich überlege, ob ich dir sagen soll, dass ich dich vermisse, aber du würdest es eh nicht verstehen. Du verstehst gar nichts. Das einzige, was für dich existiert, ist das hier und jetzt. Aber das hat mir noch nie gereicht. Ich brauche Gewissheit. Gewissheit, dass du mich nicht wieder alleine lässt. Dass du bleibst. Dass deine Versprechen nicht nur leere Worte sind. Aber wahrscheinlich werde ich wieder enttäuscht werden. Ein nächster Kuss von dir, diesmal auf meinen Mund, folgt. Ach scheiß doch drauf, denke ich und rutsche ein Stückchen weiter zu dir hoch, presse meine Lippen auf deine. Ein lautes Seufzen entfährt dir, du packst mich an den Hüften, schiebst mich neben dich und rollst dich auf mich, ohne dich auch nur eine Sekunde von mir zu lösen. Ich schlinge beide Arme um deinen Hals, deine Hände fahren durch meine Haare.  Gott, wie lange habe ich dich schon nicht mehr richtig geküsst, wie lange hast du mich schon nicht mehr so berührt, ich hatte ganz vergessen, wie gut deine Küsse schmecken. Mein Herz klopft mir bis zum Hals und als deine Hand unter mein Shirt wandert, habe ich wirklich Angst, dass es aus meiner Brust springt und auf deinem Bett landet. Aber ich will es gar nicht mehr, du kannst es haben. Es gehört eh seit langem dir. Pass gut drauf auf. Plötzlich schmecken deine Küsse salzig, wie das Meer. Deine Lippen lösen sich von meinen und du musterst mich genau. Nein, nein, hör nicht auf, bitte, fleht eine Stimme in mir. "Mel?", du flüsterst, deine Hand legt sich um meine hitzige Wange, "Warum weinst du?" Ich gebe keine Antwort, starre nur die Kette, die du um deinen Hals trägst an, ich hab sie dir mal geschenkt. Meine Tränen laufen über deine Handfläche, aber du ziehst sie nicht weg. "Willst du nicht.. Soll ich...?", du deutest auf deine Hand unter meinem Shirt, willst sie wegziehen und rückst ein Stück von mir ab, aber ich halte sie fest. "Nein", ich blinzle dir ein schwaches Lächeln durch die Tränen hindurch entgegen, "Hör bitte nicht auf." Mit einem Seufzen setzt du dich auf und ziehst mich zu dir heran, sodass deine Beine mich rechts und links umgeben, dein Atem in meinem Nacken. "Was hast du dann?", du streichst meine Haare beiseite und küsst mich in den Nacken, Gänsehaut durchfährt mich. Ich starre auf unsere Hände, die ineinander verflochten auf meinem Bauch liegen. "Ich hab Angst, dass du Morgen wieder weg bist", flüstere ich zurück und spüre, wie mir erneut Tränen in die Augen steigen.