Ich bahne mir einen Weg durch die Menschenmassen, drücke mich an einem sich hemmungslos rumleckenden Pärchen vorbei, und stolpere schließlich in den überfüllten Zug. Mit einem dumpfen Zischen schließen sich die dreckigen Türen hinter mir, schupsen mich augenblicklich noch mehr in das Innere des engen Hauptteils. Irgendwo ganz hinten erblicke ich Jakob und Melina, beginne wieder, mich an den ganzen stehenden Menschen vorbei zu drängen. Eine dicke Frau mit kurzen Haaren versperrt mir den Weg. Sie stinkt nach Zigaretten-Qualm und Alkohol, schwitzt, als hätte sie einen Marathonlauf hinter sich, obwohl es draußen Minusgrade sind. "Darf ich mal?", meine Stimme klingt ungeduldig. Genervt dreht sie sich um, "Der Zug ist voll", grunzt sie, wendet sich wieder von mir ab. "Meine Freunde halten mir dahinten einen Platz frei", vage deute ich in die Richtung von Jakob und Melina, als sich unsere Blicke treffen, forme ich mit den Lippen ein "Sorry", einvernehmliches Nicken. Die Frau vor mir rümpft die Nase, tritt dann aber doch einen Schritt zur Seite und lässt mich nach hinten flüchten. Ich verstehe nicht ganz, was sie noch sagt, aber es klingt wie ein vor sich hin gebrummeltes "Rotzgöre". Ich erreiche die beiden, Melina sitzt am Fenster, schaut sich irgendetwas auf ihrem Handy an und nickt im Rhythmus der Musik, die aus ihren Kopfhörern dringt. Ich setze mich mit einem "Hi" neben sie, als sie mich nicht beachtet, ziehe ich ihr die Kopfhörer aus den Ohren. "Du hättest fast den Zug verpasst", sagt sie, ohne aufzuschauen, "Du hättest dich echt beeilen können." "Auch schön, dich zu sehen", entgegne ich und wende mich von ihr ab. Jakob lächelt mich an, "Hi Mel." Seine Stimme klingt freundlich. Er stopft sein Handy zurück in seine Hosentasche, "Was gibt's neues?" "Nichts", ich lasse mich in den Sitz gleiten, mein Blick wandert zu den vom Frost verdrübten Fenstern. Ein dünner, glitzernder Schleier liegt auf den Bäumen und Wiesen, die schleppend an uns vorbeiziehen. Wie schön es draußen zu dieser Jahreszeit doch sein kann. Nur der Schnee fehlt.
Wir schweigen uns größtenteils an, ab und zu fällt nur eine belanglose Bemerkung über das Wetter oder die unbequemen Sitze, ich schließe die Augen. Ich spüre, wie sich Jakob mir gegenüber räuspert, öffne wieder die Augen. Melina ist schnarchend mit dem Kopf am Fenster eingenickt, die Musik tönt immer noch aus ihren Kopfhörern, dringt bis zu mir herüber. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, sie sieht so süß aus, wie sie da mit offenem Mund am Fenster lehnt. "Melissa?", Jakob lehnt sich zu mir nach vorne, seine Stimme ist kaum mehr ein Flüstern. "Ja?", ich lehne mich ebenfalls nach vorne, sehe ihm in die Augen. Betreten senkt er seinen Kopf zu Boden, starrt etwas Unsichtbares in der Luft an. "Was ist?", ich mustere ihn von oben bis unten, seine Nervosität entgeht mir nicht. "Wir feiern doch alle Silvester zusammen, richtig?", ich spüre die Unsicherheit in seiner Stimme. Ich ziehe eine Augenbraue hoch, "Ja. Wie kommst du da jetzt drauf?" "Ging mir so durch den Kopf." "Aha. Und?" "Ich wollte dich was fragen..." "Schieß los", ich lächle ihn an. Er beugt sich noch näher nach vorn, unsere Gesichter sind nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt, seine Haare kitzeln meine Wange. "Melina und die anderen hatte die Idee, dass wir die Aktion vom letzten Jahr noch mal wiederholen. Erinnerst du dich?" Ich nicke. Letztes Jahr wurde vorgeschlagen, dass jeder sich jemanden sucht, den er um 0 Uhr küssen will. Wir fanden das alle toll, durch diese Aktion sind sogar einige von uns zusammen gekommen. "Jedenfalls", fährt er fort, "Wollte ich dich fragen, ob du mich dieses Jahr küsst?" Ich sehe ihn völlig entgeistert an, "Ich?" Er nickt, ein Lächeln huscht über seine Lippen, "Wieso nicht?" Ich verziehe das Gesicht, das kann er nicht ernst meinen, "Du machst Witze." Er runzelt die Stirn, "Nein." Ich lehne mich von ihm weg, muss mich zusammenreißen, dass mir nicht die Kinnlade herunterklappt. "Jakob...", beginne ich, doch er lässt mich nicht ausreden. "Bitte, Mel." "Nein."
11 Kommentare:
doch, hat er. und wieder sind wir in dieses ignoranz-pur schema verfallen. mittlerweile sagt er den beiden schlämpchen aus meiner klasse nicht nur hallo, sondern verbringt die pausen, genau wie jede andere freie minute, mit ihnen. die scheinen sich richtig gut zu verstehen. von dem 'nää, mit den beiden arroganten huren will ich nichts weiter zu tun haben', was er ja vor anderthalb monaten noch pausenlos beteuert hat, ist nichts mehr zu merken. dafür merke ich immer mehr. im arm. schnitte. hab ich vor ein paar tagen für mich entdeckt. hätte mir jemand am donnerstag oder freitag früh gesagt, ich würde sowas jemals machen, hätte ich er-sie-es für die bemerkung wahrscheinlich auf'm mond geschossen. jetzt ist mein unterarm langsam voll davon.
ich glaube, der junge merkt gar nicht, wie viel er kaputt macht, bzw, was er kaputt macht - mich.
ich weiß, ich weiß, jetzt bin ich ganz ganz hässlich im selbstmitleid versunken, und ich will's ja eigentlich auch nicht, mir immer wieder einreden wie scheiße doch alles ist. aber im augenblick geht's nicht mehr anders.
andererseits muss ja einer das arschloch spielen.- meine glückwünsche an ihn; er hat die rolle. -.-
:'c
ja, weiß ich ja selber. es ist hässlich, bringt nichts und sowieso passt es komplett gar nicht zu mir, da ich eigentlich rundum sauber bin, also, ziemlich zumindest. :DDD
aber irgendwie. das schnürt mir immer komplett die kehle ab, wenn ich die zusammen sehe. ich weiß, das es keine lösung ist, aber...? :o
du weißt ja selbst gut genug, wie das ist.
ich will's versuchen. ich will's eigentlich auch versprechen, aber mein wort soll mehr wert sein, als das stöhnen einer nutte.
ehrlichgesagt ekel ich mich sogar davor. tiefe schnittwunden am arm, vorallem wenn ich mir dabei zusehe wie ich mich selbst kaputt mache. :o aber wenn ich ihn sehe, und so. es kommt immer alles aufeinmal hoch. ich steh' da, bin kurz vorm heulen, und komm' auf's derbste nicht drauf klar.
er ist'n arsch. ich komm mir so verdammt hart benutzt und verarscht vor, das glaubst du gar nicht. und die zwei schlimmsten sachen:
ich glaube immer mehr, dass seine ex und so recht hatten.
und, dass ich auch trotz allem nicht wieder so schnell von ihm wegkomme. :c
was'n eigentlich das für einer, der da mit dir knutschen will? :oo hackt's bei dem? du hast doch justin, wie kann der da sowas von dir 'verlangen'? :oo
wow, dein blog inspiriert mich total! und du kannst so schön schreiben.
schau doch mal vorbei :)
liebste grüße, kelly
schön geschrieben. :)
Wegen Jakob. Bist du nicht mehr mit Justin zusammen? Oder versteh ich da was falsch. War ja längere Zeit nicht mehr da...
<3
natürlich habe ich das ganz und gar nicht! das erfreut mich gerade sehr, ehrlich. denn du bist ganz und gar meine lieblingsbloggerin!♥
ich beneide dich, sehr stark. ♥
du schreibst wahnsinnig gut!
:D Gib nicht auf, irgendwann kommt bei jedem die Erleuchtung :D
weil du so eine wunderbare art zu schreiben hast. ohne witz. ♥
Ja, mal wieder, aber es ist nicht das was ich wollte aber na ja.
Ohje.. wieso sagt/fragt er dann sowas? :O
<3
du schreibst viel besser und das weißt du auch :>
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