#74

Seit einer Stunde renne ich ununterbrochen durchs Haus, freue mich wie ein kleines Kind, dass du gleich kommst. Ich tänzle in mein Zimmer und stelle den Teller mit frisch gebackenen Keksen, die mir, wie ich annehme, heute nicht sonderlich gelungen sind, auf den Glastisch vor meinem Sofa. Langsam lasse ich meinen Blick durch den Raum schweifen, draußen ist es stockdunkel, nur meine Lichterkette wirft schwaches Licht auf mein Bett und mein Sofa, so dass der Raum warm und einladend wirkt. Zufrieden mit meinem Werk lasse ich mich in die von mir vorher perfekt platzierten Kissen fallen, ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche und betrachte das Display, um zu sehen, wie spät es ist. 20:13 Uhr. Wolltest du nicht schon seit einer halben Stunde da sein? Ich werfe nochmals einen Blick auf das Display, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht versehen habe. Es ist tatsächlich 20:13 Uhr und nirgendwo auch nur eine Spur von dir. Heute Morgen hast du mir versprochen, wir sehen uns heute Abend. Ich wollte dich endlich mal wieder bei mir haben, wollte mal wieder Zeit mit dir verbringen, wir hatten in den letzten Tagen kaum Zeit für uns. Ich mache es mir auf dem Sofa bequem, du wirst sicher gleich kommen. Die Stille, die herrscht, kommt mir unvollkommen vor. Ich schalte meinen Fernseher ein, drücke durch, doch kann mich für nichts begeistern. Wo bleibst du? Gelangweilt verfolge ich irgendeine dumme Serie, deren Name ich nicht kenne, stopfe mir ein paar Kekse in den Mund und trommle ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch herum.

Irgendwann sehe ich wieder auf mein Handy, die Zeit scheint nicht vergehen zu wollen, der Zeiger kriecht langsam seine Runden. Jede Sekunde kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Ich stehe auf, stapfe zu meinem Fenster und reiße es unsanft auf. Als ich nichts erkennen kann, steige ich heraus auf die Straße, kneife die Augen zusammen, um etwas sehen zu können. Sofort umschlingen mich Kälte und Dunkelheit, durch die Straßenlaternen kann ich kaum etwas erkennen. Der Wind reißt wie verrückt an meinen Haaren, zerrt unsanft über meine Haut. Eine halbe Ewigkeit stehe ich hier, zittere am ganzen Körper, spüre meine Hände kaum noch. Doch ich kann mich nicht dazu bewegen, nach drinnen zu gehen. Du kommst nicht.