"There's just something about all that blood, I drown in it."

"So kalt wie du immer tust lässt es dich dann doch nicht, hm?", Justins Blick ruht seit geraumer Zeit auf mir, mein Kopf brummt unerträglich vor sich hin, ständig überschlagen neue Gedankenfetzen die vorherigen. "Mhm", alles in mir sträubt sich, sich einzugestehen, dass er vermutlich recht hat. Ich will, dass es mir egal ist. Dass ich nicht schon wieder alles von dummen Gefühlen abhängig mache. "Ich mein, ich hätte das auch nicht von ihm erwartet", fährt er fort, "aber vielleicht hat er aus der ganzen Scheiße jetzt endlich mal gelernt. Basti ist ja schließlich kein Idiot, der rafft nur einfach nicht, dass er mit seinen Taten verletzt." Ich stoße genervt Luft aus, "Als ob der das irgendwann verstehen wird. Klar erzählt er immer, dass er sich ändern will. Aber letztendlich kann er das einfach nicht, weil er viel zu selbstbezogen und unfähig ist. Ich meine, gib dir das doch mal - er vögelt sich durch unseren gesamten Freundeskreis, macht tausend Mädchen Hoffnungen, und denkt am Ende noch, dass es okay wäre, wenn er sie dann doch einfach nur fallen lässt. Er checkt einfach nicht, dass er sich nicht erstmal überall ausprobieren kann. Wie erbärmlich kann ein Mensch eigentlich sein?! Und das Ding ist ja noch-", ich stoppe mitten im Satz, vor Wut überschlagen sich die Wörter in meinem Mund, "Ach fuck it, ist mir ja eigentlich egal." Justin entschlüpft ein kurzes Grinsen über meinen Wutausbruch, eigentlich schieße ich mir ja hiermit nur ein Eigentor, "Es ist dir nicht egal." Ich beiße nervös auf meiner Lippe herum, "Klar ist es das." "Nope. Weil er dir nicht egal ist, Mel. Hör auf dir selbst schon wieder irgendwas vorzuspielen, ich kenn dich doch. Ich glaub du warst ein bisschen zu voreilig, als du gesagt hast, dass du mit ihm abgeschlossen hast. Wenn du ihn wirklich willst, hol ihn dir." Ausdruckslos spiele ich mit dem Zeigefinger an dem untersten Knopf meiner Bluse herum, weiß nicht mehr, was ich darauf antworten soll. Ich will das nicht. Ich wollte das alles nicht mehr. Ich bin mir sicher, dass ich keine großartigen Gefühle mehr für Basti habe, aber aus irgendeinem Grund will ich ihn trotzdem noch. Er steht vor mir, benimmt sich wie das letzte Arschloch, verletzt alle um mich herum, und mein einziger Gedanke ist ständig, wie gerne ich ihn doch jetzt berühren würde. Irgendetwas stimmt mit mir nicht. "Danke für alles", ein kurzer Kuss fliegt auf Justins Wange, ich wage es nicht einmal mehr ihm nochmal in die Augen zu sehen, bevor ich im Eiltempo verschwinde. Eigentlich ist er der Letzte, mit dem ich über soetwas reden sollte. Nach einer gefühlten Stunde stürme ich endlich in mein Zimmer, werfe mich auf mein Bett und vergrabe meinen Kopf in den Kissen. In meinem Leben hat sich zu viel geändert, ich komme selbst nicht mehr hinterher. Zu viele Menschen kommen und gehen, ich fühle mich nur noch unendlich schmutzig, weil ich niemanden wirklich halten konnte. Mein Blick schweift über mein Bett, Erinnerungen huschen an mir vorbei, zu viele Gefühle, Fehler, Momente haben genau hier stattgefunden, plötzlich widert micht alles nur noch unglaublich an. Ich krieche an die Wand am anderen Ende des Raums, lasse meinen Blick nicht eine Sekunde lang von diesem riesigen Abbild guter und schlechter Erinnerungen. Vergrabe meine Finger im Haar, mein Kopf fällt fast ohne Antrieb auf meine angewinkelten Knie. Alles kommt mir fremd vor, falsch. Ich hatte selten wieder so viel Lust, mir alles aufzuschneiden, mich selten wieder so leer gefühlt. Aber ich kann nicht. Darf nicht. Diesmal darf ich mich nicht wieder selbst loslassen.

1 Kommentar:

Sonja hat gesagt…

Du schreibst so wundervoll!