ich lass dich im alten jahr

"Warte hier", kommandiert Lukas und verschwindet kurz darauf in den überfüllten Starbucks vor uns. Langsam stapfe ich zu der rostigen Bank neben der Telefonzelle, auf der sicherlich schon der ein oder andere Penner sein Zuhause gefunden hat, und lasse mich auf dem eiskalten Metall nieder. Nachdem ich endlich mein sperriges Gipsbein verstaut habe, wühle ich in der halb kaputten Tasche nach meinem Handy. Genervt stöhne ich auf, als der hässliche Piepton mir signalisiert, dass mein Akku sich gerade von mir verabschiedet, und pfeffere es zurück zu seinem ursprünglichen Platz zwischen Kaugummi, Schlüssel und Portmonee. "Heeey", sagt plötzlich jemand hinter mir, ich zucke unwillkürlich zusammen. Jakob tritt um die Bank herum vor mich, lächelt mich mit seinem Eine-Millionen-Dollar-Lächeln an, die Hände in den Taschen. "Hallo", entgegne ich, überrascht, ihn zu sehen. "Darf ich mich setzen?", sagt er und deutet auf den von der Kälte schon leicht angefrorenen Platz neben mir. Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. "Was machst'n hier?" "Mir den Arsch abfrieren", erwidere ich. "Achso. Bist du alleine hier draußen?", fragt er und sieht mich an, als wäre ich vier. "Ja, Mami hat mir erlaubt, schon alleine das Haus zu verlassen, weißt du", grummele ich. Er verdreht die Augen, "Ich frag ja nur, wundert mich halt, dass du alleine unterwegs bist." "Bin ich nicht", widerspreche ich gereizt und deute auf den randvollen Starbucks vor uns, "Ich bin mit Lukas hier." "Mit dem?", Jakob schnaubt, "Ich denke, ihr redet nicht mehr miteinander?!" "Ach, und seit wann redest du wieder mit mir?", murre ich. Er übergeht meine Frage, "Wieso gibst du dich mit Lukas ab? Ich weiß ihr wart mal beste Freunde, aber er ist ein Arschloch." Seit ihr ja schon mal zwei, denke ich. "Was interessiert's dich?", rotze ich ihn an und stehe auf, als ich sehe, wie Lukas mit zwei Bechern den Starbucks verlässt. Wortlos steht Jakob ebenfalls auf, ich spüre seinen Blick auf mir, während ich auf Lukas zugehe. "Da", Lukas reicht mir einen Becher, gefüllt mit Moccacino und deutet mit dem Kinn in Richtung Jakob, "Was will der denn?" "Nichts", hastig kippe ich mir den Kaffee hinunter, vergesse ganz, dass er heiß ist. "Scheiße", fluche ich und fasse mir reflexartig an meine nach Labello schreienden Lippen. Er lacht und zieht mich mit sich, weg von Jakob. "Können wir reden?", seine Stimme klingt anders als sonst, unsicher. "Natürlich."